Migräne
Was ist Migräne und wie entsteht sie?
Migräne ist eine der am häufigsten auftretenden Kopfschmerzformen überhaupt. Etwa sechs bis acht Prozent aller Männer und zwölf bis 14 Prozent aller Frauen sind von den mehr als quälenden
Schmerzattacken betroffen. Schon vier bis fünf Prozent der Kinder leiden unter Migräne, wobei Jungen und Mädchen gleichermaßen betroffen sind. Die höchste Rate tritt zwischen dem 35. und dem 45.
Lebensjahr auf. Hier überwiegt der Anteil der Frauen um ein Dreifaches.
Ein Migräneanfall durchläuft üblicherweise verschiedene Phasen. In der Vorstufe verengen sich die Blutgefäße im Gehirn, kurz darauf kommt es zu einer krampfartigen Erweiterung der Gefäße;
Serotonin, einem Botenstoff, der für die Nervenzellkommunikation zuständig ist, wird bei den Schmerz erzeugenden Prozessen eine gewisse Rolle zugesprochen.
In diesen chemischen Vorgängen wird unter anderem eine wesentliche Ursache der Migräne und dem mit ihr einhergehenden heftigen, pulsierend pochenden Kopfschmerz gesehen. Neuere Erkenntnisse belegen
nun auch eine eindeutige genetische Veranlagung, das heißt die Wahrscheinlichkeit bei familiärer Disposition unter Migräne zu leiden, ist besonders hoch. Der Gendefekt alleine bewirkt jedoch noch
keinen Migräneanfall, er sorgt vielmehr dafür, dass Patienten eine erhöhte Anfälligkeit für bestimmte Umweltreize und andere auslösende Umstände (Triggerfaktoren) haben. Diese Triggerfaktoren
sind unter anderem ein veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus, Sinnesreize wie Flackerlicht, grelle Beleuchtung, schrille Töne oder anhaltender Lärm – ebenso wie Alkohol, Koffein, Nikotin, bestimmte
Lebensmittel, Wettereinflüsse, Hormonschwankungen oder Stress.
Etwa bei zehn bis 15 Prozent aller Patienten geht der eigentlichen Kopfschmerzsymptomatik eine als „Aura“ bezeichnete Periode voraus, die durch verschiedene Störungen der Wahrnehmung und der
Sensibilität gekennzeichnet ist. Typisch für die Migräneaura ist, dass sich die Anzeichen wie Seh- oder Sprechstörungen, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen, Lähmungserscheinungen oder
Missempfindungen über einen Zeitraum von zehn bis 20 Minuten entwickeln und sich dann langsam, bevor die Schmerzattacken einsetzen, zurückbilden.
Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft hat folgende Kriterien zur Einordnung der Migräne festgelegt
• Die Patienten weisen unbehandelte oder erfolglos behandelte Attacken mit einer Dauer von vier bis 72 Stunden auf.
• Während der Kopfschmerzphase tritt wenigstens eines der Symptome auf - Übelkeit und/oder Erbrechen - Licht und/oder Lärmempfindlichkeit.
• Es müssen mindestens zwei der folgenden Kriterien vorhanden sein - Einseitiger Kopfschmerz - Pulsierender Schmerzcharakter - Verstärkte Symptome bei
körperlicher Aktivität, wie Treppen steigen - Mäßige bis starke Schmerzintensität, die die üblichen Tagesaktivitäten erschwert oder unmöglich macht.
• Es müssen bereits fünf Kopfschmerzattacken in ähnlicher Form entsprechend der oben beschriebenen Bedingungen aufgetreten sein.
Zur Behandlung einer Migräne gibt es heute einige wirksame Medikamente, aber auch alternative Behandlungsmethoden wie Akupunktur oder Homöopathie sind in manchen Fällen hilfreich. Durch
Herausfinden und Vermeidung bestimmter Trigger kann die Anfallshäufigkeit in vielen Fällen reduziert werden.
Welche Medikamente helfen bei Migräne ?
Ist erst einmal die Diagnose Migräne gestellt, geht es darum, geeignete Behandlungsmaßnahmen zu finden. Oberstes Ziel jeglicher therapeutischen Bemühungen sollte die Ausschaltung der quälenden
Symptomatik oder zumindest die Reduzierung auf ein erträgliches Maß sein. Neben alternativen Methoden der Entspannung und dem Bemühen, die Lebensumstände zu verändern – es hat sich gezeigt, dass
besonders überaktive und arbeits-„süchtige“ Menschen unter Migräne leiden – sind in vielen Fällen doch zusätzlich eingesetzte Medikamente hilfreich.
Je nach Schweregrad werden Schmerzmittel (Analgetika) in unterschiedlicher Dosis und Form verabreicht. Generell gilt, dass die Schmerzmittel frühzeitig, bei Beginn des Anfalls, eingenommen werden
sollen. Hier hat sich besonders die Acetylsalicylsäure (ASS) bewährt; reicht dies nicht aus, kann außerdem ein Versuch mit Paracetamol gemacht werden. Wenn Patienten bereits Probleme mit Übelkeit
haben, ist die Anwendung in Zäpfchenform ratsam.
Auch die analgetische Komponente in bestimmten Rheumamedikamenten hat sich bei dem typischen Migräneschmerz bewährt. Manche Patienten berichten über einen positiven Effekt nach Kombination mit ASS
und Paracetamol. Als probate Mittel gelten mittlerweile Serotoninagonisten. Das sind Stoffe, die dem Gewebshormon Serotonin entgegenwirken. Wenn die Attacke die Betroffenen bereits „fest im Griff“
hat, wird Serotonin entweder zum Einnehmen veordnet oder als Lösung unter die Haut gespritzt. Die Wirkstoffe binden sich an spezielle Rezeptoren, die den Schmerz gezielt ausschalten. Wegen des hohen
Preises werden Serotoninpräparate allerdings erst eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht den erwünschten Erfolg bringen.
Ein weiterer Ansatzpunkt liegt in dem Einsatz von Ergotaminprodukten, die eine Gefäß verengende Wirkung haben. Hier ist wegen einer möglichen Abhängigkeit, die wiederum einen Dauerkopfschmerz nach
sich ziehen kann, die Anwendungsbeschränkung genauestens einzuhalten. Wenn der Migräneschmerz von Übelkeit oder Erbrechen begleitet wird, empfiehlt sich die zusätzliche Einnahme von Metoclopramid
(MCP) als Tropfen oder als Zäpfchen. Wegen seiner Peristaltik (Darmtätigkeit) steigernden Wirkung sollte MCP vor einem Analgetikum eingenommen werden, das dann vom Verdauungstrakt besser
aufgenommen wird. Für Kinder unter zehn Jahren ist Metoclopramid jedoch nicht geeignet. Eine weitere Möglichkeit der Schmerzunterbindung ist die therapeutische Lokalanästhesie. Hier wird ein lokal
wirksames Betäubungsmittel an bestimmte Nervenenden des Gesichts beziehungsweise des Schädels und infiltriert beiderseits die Schläfenregionen. Wenn Patienten häufig von besonders starken
Attacken betroffen sind, kommt auch die prophylaktische Therapie in Frage. Ihre Mitarbeit ist bei dieser Methode in besonderem Maße erforderlich, da die Medikamente regelmäßig, das heißt auch in den
schmerzfreien Intervallen, eingenommen werden müssen, um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Mittel der ersten Wahl für die vorbeugende Behandlung sind Betablocker, die eigentlich bei
Bluthochdruck und bestimmten Herzerkrankungen eingesetzt werden, sich aber bei der Bekämpfung des Migräneschmerzes vielfach bewährt haben.
Ist Migräne vererbbar ?
So genannte Zwillingsstudien brachten es an den Tag: Migräne, oder besser die Anfälligkeit für Migräne wird vererbt. Nicht jeder, der diese Anfälligkeit in die Wiege gelegt bekam, entwickelt
jedoch tatsächlich die gefürchteten Kopfschmerz-Attacken. Man vermutet daher, dass erst weitere Faktoren hinzu kommen müssen, damit die Migräne zum Ausbruch kommt.
Verwandte von Migränepatienten haben ein um den Faktor 1,9 erhöhtes Risiko, selbst eine Migräne zu entwickeln. Die Zwillingsstudien zeigen: Verschiedene Erbfaktoren und die Umwelt teilen sich zu
jeweils 50 Prozent die Verantwortung für Migräneanfälle. Gehen die Migräneanfälle mit neurologischen Ausfallerscheinungen, also einer „Aura“ einher, dann ist das Migräne-Risiko für die
Nachkommen um das Vierfache erhöht.
Bei einer Sonderform der Migräne, der familiär-hemiplegischen Migräne, konnte sogar schon ein verantwortliches Gen identifiziert werden. Menschen, die unter dieser von Halbseitenlähmung und
Bewusstseinsstörungen begleiteten Migräneform leiden, sind, genetisch gesehen, etwas „anders“: Ein bestimmtes Gen auf dem Chromosom Nummer 19 ist bei ihnen verändert. Es enthält Informationen zur
„Bauanleitung“ für einen Kalzium-Kanal, durch den Kalzium-Ionen in die Zelle gelangen können. Warum Veränderungen in diesem Kanal schwere Migräneanfälle zur Folge haben können, ist derzeit noch
nicht geklärt, denn die Funktion dieser Kanäle wird zusätzlich von äußeren Faktoren wie dem Säure-Base- Haushalt beeinflusst.
Durch Erbanlagen gesteuert wird außerdem das persönliche Schmerzempfinden eines Menschen. So verfügt ein spezielles Gen über die Bauanleitung für den so genannten „Mu-Rezeptor“. Das ist ein
Opiatrezeptor, also die Bindungsstelle auf den Neuronen (Nervenzellen) für Endorphine (körpereigene Schmerzhemmer) und Opiate (starke Schmerzmittel).
Je nach Bauanleitung produziert ein Mensch mehr oder weniger Opiatrezeptoren. Diejenigen mit weniger Opiatrezeptoren sind entsprechend schmerzempfindlicher, denn es sind weniger „Andockstellen“ für
Schmerzhemmer vorhanden. Das erklärt auch, warum manche Menschen höhere Schmerzmittel-Dosen benötigen als andere.
Nicht direkt Vererbung, aber durchaus familiär bedingt ist die Einstellung zum Schmerz und damit zum Schmerzempfinden. So spielen zum Beispiel beim chronischen Schmerzsyndrom Lernprozesse eine nicht
zu unterschätzende Rolle.
Untersuchungen haben ergeben, dass Kinder von Schmerzpatienten zwar nicht verstärkt unter körperlichen Beschwerden und Schmerzen leiden. Jedoch ist bei Kindern von Schmerzpatienten während
Erkrankungen im Allgemeinen ein deutlich längerer Verlauf festzustellen. Sie neigen zu negativem Denken und dramatisieren in vielen Situationen stärker als andere Kinder.
Zudem sind bei Kindern von Schmerzpatienten, die ihre Lebenssituation nicht so gut im Griff haben, die körperlichen Beschwerden häufiger und länger.